Stele Paul Warnecke

Das zweite Sonderprojekt des Henri-Goldstein-Hauses ist die Stele für Paul Warnecke

Es befindet sich im Quickborner "Birkenwäldchen" / Dorotheenpark (Harksheider Weg, direkt am Bahnübergang der AKN)

Stele Paul Warnecke

"An dieser Stelle wurde in der Nacht zum 5. März 1933 der 19-jährige Kommunist Paul Warnecke von den Nazis erschossen. Er war das erste Opfer des NS-Regimes in Quickborn, dem bis zur Befreiung 1945 noch weitere Bürgerinnen und Bürger aufgrund ihrer politischen Haltung, ihrer gesellschaftlichen Ächtung oder ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung folgten"

Dieser Satz ist auf der Stele für Paul Warnecke zu lesen, für den es in unmittelbarer Nähe auch einen Stolperstein gibt.

1946 hat die Gemeindevertretung beschlossen, dass das Gelände, auf dem Paul Warnecke erschossen wurde, den Namen "Paul-Warnecke-Platz" tragen solle. Dies ist in all den Jahren bis 2019 nicht geschehen. Aber die Arbeitsgruppe "Stele Paul Warnecke" konnte Einvernehmen mit der Stadt erzielen, dass eine Stele an das Schicksal von Paul Warnecke erinnern solle. Und sie soll Auskunft geben über die aufgeheizte Stimmung zwischen den Nationalsozialisten und ihren Gegnern, die auch zu solchen Todesfällen geführt haben.


Lesen Sie hier die Texte auf der Vorder- und Rückseite der Stele


Aufstieg der NSDAP

 

Schon im Laufe des Jahres 1933 waren die Weichen in Richtung der NS-Diktatur gestellt: Am 30.01.1933 hatte Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Gestützt auf den Notstandsartikel 48 der Reichsverfassung wurden dann nach und nach – ebenfalls „legal“ – die verfassungsmäßigen Grundrechte durch Verordnungen des Reichspräsidenten aufgehoben:

Am 04.02.1933 schränkte zunächst die „Verordnung zum Schutz des deutschen Volkes“ die Versammlungs- und Pressefreiheit stark ein und am 28.02.1933 (nach dem Reichstagsbrand) wurde durch die so genannte „Reichstagsbrandverordnung“ die „Abwehr kommunistischer staatsgefährdenden Gewalttaten“, mit anderen Worten die Verfolgung aller politischen Gegner angeordnet.

Um die Aufhebung aller Grundrechte zu vervollständigen, beschloss der Reichstag am 24.03.1933 das so genannte „Ermächtigungsgesetz“: Alle Reichsgesetze, auch solche, die die Verfassung änderten und Verträge mit fremden Staaten konnten nun allein von der Reichsregierung und ohne den Reichstag beschlossen werden. Damit war die Gewaltenteilung aufgehoben, es gab praktisch keine Legislative mehr und dem Reichskanzler Hitler war diktatorische Vollmacht eingeräumt.


Alle bürgerlichen Parteien stimmten dem Ermächtigungsgesetz zu, einzig die SPD stimmte dagegen. Die Abgeordneten der KPD waren größtenteils bereits verhaftet oder auf der Flucht, den restlichen wurde der Zutritt zur Abstimmung verwehrt.

Unmittelbar nach der Reichstagswahl erfolgte die Gleichschaltung der Länder: NS-Statthalter kontrollierten ab sofort die Landesregierungen. Die Leitung der Polizei in den Kreisen und Kommunen wurde Parteigenossen übertragen.

In der Folge erfasste die Gleichschaltung alle Bereiche des öffentlichen Lebens: Presse, Rundfunk, alle Kultureinrichtungen, die Verbände der Wirtschaft und der Bauern, sogar völlig unpolitische Vereine von Sängern, Sportlern usw. mussten von Parteigenossen geleitet werden.


Nachdem die NSDAP die Länderparlamente und den Reichsrat vollständig aufgelöst hatte, war der Übergang des Deutschen Reiches in einen zentralistisch regierten Staat endgültig vollzogen. Nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg am 02.08.1934 übernahm Hitler auch dessen Funktion und war nunmehr der „Führer und Reichskanzler des deutschen Volkes“, der Diktator.


Abwehr nationalsozialistischer Übergriffe

 

In Quickborn hatte sich seitens der Nazis erstmals im Februar 1930 ein SA-Sturm der Öffentlichkeit präsentiert. In der Zeit vor und während der Machtübernahme der NSDAP war der Rittmeister a.D. Werner Ballauf Sturmführer und dann Sturmbannführer der örtlichen SA. Sozialdemokraten und Kommunisten hatten schon lange vor der Machtübernahme der Nazis Maßnahmen gegen rechtsextreme Übergriffe getroffen. 
   

Bei der SPD war dieses der „Bund republikanischer Frontsoldaten – Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, der zusammen mit der SPD, den Gewerkschaften und den Arbeitersportverbänden die „Eiserne Front“ zur Verteidigung der Republik gegen rechtsextreme Feinde bildete. Von der KPD war im Ort der „Kampfbund gegen den Faschismus“ unter Führung des KPD-Vorsitzenden Julius Stubbe gebildet worden sowie eine „Häuserschutzstaffel“, um Übergriffe der SA und SS auf der Straße und auf Wohnungen zu verhindern.


Der Schießbefehl an die Polizei

 

Der preußische Innenminister Hermann Göring forderte am 17. Feb.1933 die Polizeibehörden auf:

„Gegen kommunistische Terrorakte und Ueberfälle ist mit aller Strenge vorzugehen und, wenn nötig, rücksichtslos von der Waffe Gebrauch zu machen. Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schußwaffe Gebrauch machen, werden ohne Rücksicht auf die Folgen des Schußwaffengebrauchs von mir gedeckt. Wer hingegen in falscher Rücksichtnahme versagt, hat dienststrafrechtliche Folgen zu gewärtigen.“


Die Funktion der bewaffneten Hilfspolizei (im Februar/ März 1930 von Göring aus SA-, SS- und Stahlhelm-Angehörigen zusammengestellt) übernahm in Quickborn der „Haus- und Werkschutz“ unter Leitung des SA-Sturmführers Werner Ballauf.

Dieser Wachdienst wurde in Quickborn am 3. März 1933 gebildet und bezweckte, „den Schutz der bürgerlichen Bevölkerung vor den Angriffen der in Quickborn und in der Quickborner Heide sehr zahlreich vorhandenen Kommunisten.“

Er sollte sich aus „nationalen Bürgern aller Richtungen“ zusammensetzen und den Anordnungen der Landjägereibeamten Folge leisten. Tatsächlich spielte die Hilfspolizei eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung politischer Gegner, welche verhaftet und verschleppt wurden. Die regulären Polizei“beamten“ waren gehalten, „bestes Einvernehmen“ mit der „HiPo“ herzustellen. Göring war Dienstherr der gesamten Polizei.


Tödliche Gewalt

 

In der Nacht vom 4. auf den 5. März 1933 hatten sich im Haus des KPD-Vorsitzenden Julius Stubbe in der Querstraße ca. 15 Mitglieder der kommunistischen Häuserschutzstaffel versammelt, um Übergriffe von Nationalsozialisten abzuwehren.

Weitere Mitglieder befanden sich im Haus des KPD-Gemeindevertreters Johannes Schwank im Langenkamp. Zwischen beiden Häusern wechselten kleine Gruppen ihren Standort und durchquerten auf ihrem Weg auch den Dorotheenpark. 

Um einer Verhaftung zu entgehen, führten sie keine Waffen bei sich. Gegen 2:30 Uhr verließ eine Gruppe das Haus von Johannes Schwank auf dem Weg zu Julius Stubbe, unter ihnen Paul Warnecke. 


Zur gleichen Zeit beobachtete eine Streife des „Haus- und Werkschutzes“ mit einem Mitarbeiter des kooperierenden privaten Sicherheitsdienstes das Haus des KPD-Vorsitzenden. Von der Anwesenheit der Nationalsozialisten überrascht, ergriffen die Kommunisten die Flucht. Mehrere Schüsse wurden daraufhin auf sie abgegeben. Tödlich getroffen fiel der 19-jährige Paul Warnecke zu Boden.

 

Opfer und Täter

 

Paul Warnecke war das erste Opfer des Nationalsozialismus in Quickborn. Er war das jüngste von über acht Kindern des Arbeiters Heinrich Warnecke und der Hausfrau Amalie Warnecke, geborene Bönke. Am 13. Februar 1914 in Quickborn geboren, machte er eine Ausbildung als Schlosser und wohnte bei seinen Eltern an der Kieler Straße am Elsensee. Wie seine älteren Brüder Adolf und Wilhelm war Paul Warnecke Anhänger der KPD.

 

Nach der Tat war bei Gustav Jeske kein Bedauern über das Geschehen zu erkennen. Der damalige Landjäger Grube sagte in der Nachkriegszeit aus: „Nach dem Vorfall hat Jeske sich ständig gerühmt, daß er einen Kommunisten erschossen hätte und sein Anhang, d.h. die Quickborner SA-Leute, trieb es genauso, ebenso auch die Quickborner und Bönningstedter SS. Jeske rühmte sich mir gegenüber, daß er ein sicherer Schütze sei, der auch nachts sein Ziel nicht verfehle.“


Der Prozess

 

Am 3. April 1933 stellte die Staatsanwaltschaft Altona das formal eingeleitete Verfahren ein. Sie folgte der Aussage der Nationalsozialisten, die behaupteten, von den Kommunisten zuerst beschossen worden zu sein und somit aus Notwehr gehandelt zu haben. Wegen einer am 21.3.1933 vom NS-Regime erlassenen Amnestie hätten sie ohnehin keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten gehabt.


Nach dem Kriege bewertete die Staatsanwaltschaft den Fall hingegen als Mord aus politischen Beweggründen. Sie forderte eine Verurteilung wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit und beantragte die Todesstrafe. Die Große Strafkammer des Landgerichts Itzehoe verurteilte Jeske 1946 wegen Totschlags zu einer Zuchthausstrafe von sieben Jahren.

Milde davongekommen war auch der einstige Leiter des „Haus- und Werkschutzes“ und SA-Sturmführer Werner Ballauf, dem seitens des Entnazifizierungsausschusses Quickborn eine Mitverantwortung am Tod von Paul Warnecke zugeschrieben wurde.


Der Entnazifizierungs-Hauptausschuss seiner späteren Heimatstadt Düsseldorf stufte den einstigen Generalmajor der Waffen-SS hingegen als “Mitläufer” ein.


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